[teaser]Anlässlich des Bundesjägertages 2014 protestierten Jagdgegner_innen am 27.6. gegen den Lustmord an Tieren und für Tierrechte. Ein Bericht – und einige Klarstellungen.[/teaser]
Doch anders als die echten Neandertaler oder die edlen Wilden von einst, jagen diese modernen Steinzeitmenschen nicht mehr aus Not und zum Überleben, mit Pfeil und Schwert und immer mit dem Risiko, von der Beute selbst getötet zu werden. Sie erlegen ihre Opfer aus sicherer Entfernung, mit hochgerüsteter Technik, im Winter mit batteriebeheizten Stiefeln an den Füßen, und damit es ja nicht zu mühsam wird, müssen ihre Hochsitze mit dem SUV erreichbar sein, die überall in den Wald geschnittenen Forststraßen machen es möglich. Doch so ernst das auch klingt, sie jagen zum Spaß, als kostspieliges Hobby, um all die Lust und Macht zu erleben, an denen es ihnen in ihrem Alltag gebricht. Sie wollen die Macht spüren, über Leben und Tod eines anderen Lebewesens zu entscheiden, sie beschreiben das Erleben intensiver Lustgefühle dabei, einem anderen den Tod zu bringen, und genießen den Moment seines Sterbens (vgl. Andreas Kläne, Keine Angst vor der Lust. Triebforschung. In: Wild und Hund, 24/2003, S. 32-35).
Die Mär von der Hege
Dabei ist die Jagd anachronistisch und ökologisch überflüssig, ja sogar schädlich. Zur Rechtfertigung ihres blutigen Tuns weisen die Jäger_innen gern auf die Überpopulation des Wildes hin, und die Gefahr, die von den Wildtieren ausgehe, sofern man sie nicht erschießt – eine Gefahr, die nur in den Märchen der Jäger existiert, durch eine Überpopulation, die die Jäger_innen zuerst künstlich herstellen, indem sie das Wild mengenweise und oft illegal füttern! In Bayern beispielsweise gibt es heute 20 Mal mehr Schwarzwild als noch in den 80er Jahren. Für den Wald ist das schädlich, für die Jäger_innen herrlich, denn so kommt auch der letzte und langsamste Jäger noch zum Schuss, und je sichtbarer das Wild außerhalb des Waldes ist, umso mehr können sich die Jäger_innen als Retter in der Not in Szene setzen. Sie agieren dabei ähnlich wie Drogendealer, die erst einen Bedarf künstlich herstellen und dann freundlich bereitstehen, um einer Not abzuhelfen, die ohne ihr Tun erst gar nicht entstanden wäre.
Wer ist gefährlicher, Wolf oder Mensch?
Die Jägerschaft kämpft heftig dagegen, Wolf, Luchs und Bär als natürliche Räuber wieder zuzulassen oder gar zu schützen. Immer wieder fallen diese Tiere unbekannten Jäger_innen zum Opfer, verschwinden in ihren Kellern oder werden zu Tode gejagt auf den Straßen gefunden. Doch wer ist gefährlicher, die menschlichen oder die nichtmenschlichen Jäger_innen? Wie viele Menschen sind in Europa in den letzten beiden Jahrhunderten wilden Raubtieren zum Opfer gefallen? Seit über 200 Jahren wurde in Deutschland kein einziger Mensch von einem freilebenden Wolf getötet, in Schweden war der letzte Fall 1820, wobei es sich auch da um ein gezähmtes und kein Wildtier handelte. Und wie viele Menschen sind, versehentlich oder absichtlich, von Jäger_innen erschossen oder verletzt worden? Die Zahl der durch Jagdwaffen getöteten Menschen geht jährlich allein in Deutschland in die Dutzende; für 2014 gibt es nach nur einem halben Jahr bereits zirka 30 entsprechende Pressemeldungen. Laut Unterlagen von Versicherungen geschehen bundesweit jährlich zirka 800 Jagdunfälle! Nicht Wolf, Luchs oder Bär sind eine Gefahr, die Jäger_innen selbst sind es!
Auch sonst ist es mit der Bestandspflege nicht weit her: Anders als Raubtiere, haben es menschliche Jäger_innen nicht auf kranke, alte und schwache Tiere abgesehen, sondern töten die stärksten und schönsten Tiere einer Population. Das allein zeigt schon, was es mit ihrer Hege und Pflege in Wahrheit auf sich hat. Dabei behaupten Jäger_innen regelmäßig, sie liebten Tiere. In Nordrhein-Westfalen wollen sie sich nun sogar als Tierschutzverein anerkennen lassen. Aber wer tötet schon, was er liebt? Nur geisteskranke Menschen tun das! Jäger_innen lieben die Natur in ähnlich egomaner und zerstörerischer Weise wie ein Vergewaltiger sein Opfer liebt, das er/sie aus Lust tötet. Solche Menschen gehören nicht in den Wald und nicht in unsere Stadt, sie gehörten viel eher in Behandlung.
Tatsächlich soll schon der ehemalige Bundespräsident Theodor Heuss gesagt haben, die Jagd sei eine Nebenform menschlicher Geisteskrankheit. Traurigerweise gibt es heute Politiker_innen, die sich dazu hergeben, auf dem Bundesjägertag zu sprechen, auch wenn der vom DJV vollmundig angekündigte Bundeslandwirtschaftsminister seine Teilnahme abgesagt hat und dafür Staatssekretär Kloos, die rednerische Allzweckwaffe des Ministeriums, zum Bundesjägertag schickte. Einen Mann, der auf der Biofach ebenso gern redet wie beim Jägertag oder bei Treffen der Agrarindustrie.
Rentner im Wald
Die Jägerschaft ist eine überalterte Gesellschaft. Das zeigte nicht nur der Augenschein der Jäger, die am vergangenen Freitag in sicherer Entfernung mit vorsichtigen Trippelschritten an unserer Demonstration vorbeigingen oder uns aus großem Abstand fotografierten. Nach eigener Auskunft des Landesjagdverbandes Baden-Württemberg lag das Durchschnittsalter der Jäger_innen zwischen 58 und 60 Jahren, in einzelnen Kreisen noch darüber. In anderen Teilen Deutschlands sieht es nicht besser aus.
Kein Wunder also, dass sich die Berichte mehren, in denen Jäger von Hochsitzen fallen, aus Gräben geborgen werden müssen oder ihre Mitjäger, ihre Familienangehörigen oder Nachbars Pony mit einem Wildschwein verwechselt haben wollen. Die Jägerschaft in Deutschland ist eine Vereinigung reicher alter Männer, die an überkommenen Idealen und Privilegien klammern und darin unglückseligerweise von einigen Stimmen aus der Politik noch unterstützt werden.
Das braune Erbe, oder Der triebhafte deutsche Jägersmann
Das spiegelt sich auch in der Gesetzeslage wider: Die Jagdgesetze in Deutschland stammen zu wesentlichen Teilen aus der Feder des Jagdliebhabers Herrmann Göring – die von ihm geschossenen Trophäen konnte man tatsächlich noch bis vor Kurzem in München bewundern – und sind heute noch fast unverändert in Geltung. In ihnen wird die Jagd als „Erholung und Erlebnis für den Jäger“ definiert, während die Jagd zur Fleischgewinnung und zu kommerziellen Zwecken abgelehnt wird. Das Töten von Tieren dient also der Erholung, was der Intention des Tierschutzgesetzes Hohn lacht, in dem das Töten von Tieren ohne vernünftigen Grund verboten ist. Was ein vernünftiger Grund sein kann, sehen die Jäger_innen wohl heute noch ähnlich wie Reichsjägermeister Göring, der die Vorstellung hegte, mit der Jagd „den triebhaften Neigungen des deutschen Mannes Folge zu leisten“ (vgl. W. Bode, E. Emmert, Jagdwende. Vom Edelhobby zum ökologischen Handwerk, München, 2000, S. 190).
Diesen „triebhaften Neigungen des deutschen Mannes“ also leistet die Waidgerechtigkeit noch heute Folge, ihnen allein wird sie gerecht. Es ist klar, dass Waidgerechtigkeit allein die Freuden und Bedürfnisse des Jägers im Blick hat, heiße er nun Göring oder Fischer – wenn man den Präsident des Deutsches Jagdverbandes in seiner Funktion als Deutschlands oberster Jäger als Nachfolger des Reichsjägermeisters ansprechen darf. Immerhin handelt es sich bei Hartwig Fischer, MdB, um den Mann, der nach dem Pferdefleischskandal vor einem Jahr vorgeschlagen hatte, die inkriminierten Pferdefleischprodukte an bedürftige Personen auszugeben, statt sie zu vernichten. Die nachgerade winzige Minderheit der Jäger_innen findet noch eine genügend große Lobby, die eine Novellierung und überfällige Modernisierung des Jagdrechts, die die Jagd zumindest kontrollieren und eindämmen sollte, bislang erfolgreich verhinderte. Dabei sind die Jäger_innen zahlenmäßig eher eine Randerscheinung:
Das Ende der Jägerschaft?
Zwar behaupten Jagdverbände, dass die Zahl ihrer Mitglieder steige; gemessen an der Gesamtbevölkerung ist der Prozentsatz der Jäger_innen in der Gesellschaft jedoch sinkend. Was steigt, ist in allen Jagdverbänden allein das Durchschnittsalter, das etwa auch in Niedersachsen bei 60 liegt – ein Alter, in dem kein_e Polizist_in oder Soldat_in mehr bewaffnet herumlaufen dürfte, schon gar nicht ohne jede Kontrolle der Sehtüchtigkeit. Doch die schießwütigen Rentner im Loden entziehen sich jeder Kontrolle, mit bekannten Folgen. Vielleicht ist das eine Folge von Altersstarrsinn, den man männlichen Pensionisten gern nachsagt?
Denn um diese handelt es sich in der Regel. Nicht nur der Anteil der jüngeren Menschen, auch der Anteil der Frauen in der Jägerschaft ist vernachlässigbar. Denn der Anteil der Frauen in der Jägerschaft, den manche Jäger auf bis zu 20% hochreden wollen, liegt nach einem Thüringer Jagdausbilder bundesweit bei nur 3-5% Frauen. Die junge Frau, die der Prospekt des Bundesjägertages abbildete, dürfte also eher eine Exotin sein, wie junge Jäger_innen überhaupt. Die Jägerschaft repräsentiert mitnichten die Gesamtgesellschaft, sondern ein exklusives Grüppchen reicher alter männlicher Lodenträger vom Land. Kaum jemand will heute mehr Jägerin oder Jäger werden. Und die es werden wollen, sind anscheinend eine mehr als zweifelhafte Klientel, wenn man die hohen Durchfallquoten bei der Jagdprüfung von fast einem Drittel betrachtet.
Um dem abzuhelfen, gibt es jetzt allerorten Angebote, die die Jagdprüfung im Schnelldurchgang anbieten – im Extremfall gibt es den Jagdschein in zwei Wochen – und als eine exklusive, luxuriöse Beschäftigung anpreisen, passend für Reich und Schön. Und reich soll auch sein, wer die Jagd ausübt; arme Menschen sind weder finanziell in der Lage, sich ein so teures Hobby zu leisten, noch sind sie für die Jägerschaft von Interesse, die stets darum bemüht ist, neue einflussreiche Förder_innen zu gewinnen, die sie für ihr Überleben so dringend braucht. Auf Menschen ohne materiellen Wohlstand wird darum herabgeschaut – die Hetze über Arme und die Gleichsetzung von Tierrechtsaktivist_innen mit Sozialhilfeempfänger_innen, die die Jäger_innen mit Blick auf unsere Demo von sich gaben, sprechen Bände über ihr Selbst- und Menschenbild. Aber dennoch, sie können sich zwar weigern, den Tatsachen ins Auge zu sehen, aber ändern können sie sie nicht: Ihre Zeit läuft ab. Denn „in fünf bis zehn Jahren haben wir vielleicht keine Jäger mehr“, befürchtet ein Lausitzer Hegemeister. Nun, das wäre ja nicht das Schlechteste.
Derzeit (2012) gibt es in Deutschland noch 357.114 Jagdscheininhaber_innen – bei einer Gesamtbevölkerung von 81,89 Millionen sind das nicht einmal 0,44% der Bevölkerung. Da ein_e Jäger_in den Jagdschein selbstverständlich auch dann behalten kann, wenn er/sie aus Altersgründen selbst nicht mehr auf die Pirsch geht, wird man angesichts eines Durchschnittsalters von 60 Jahren von weitaus weniger aktiven Jäger_innen als Jagdscheininhaber_innen ausgehen können. Trotzdem sprechen die Jäger_innen seltsamerweise davon, dass sie nicht nur notwendig seien, sondern dass ihre Zahl sogar zunehme, dass sie mitten in der Bevölkerung angekommen seien, und bezeichnen Vegetarier_innen (derzeit nach etlichen Umfragen 10-12% der Bevölkerung) und Veganer_innen (derzeit geschätzt 800.000) gern als Randerscheinungen der Gesellschaft. Das nennt man dann wohl „Jägerlatein“.